Kleiner Fehler-große Wirkung: Was Du über die Reichweite von Ebikes wissen musst!

„Mein Kumpel schafft lässig hundert Kilometer mit dem gleichen Akku und bei mir ist nach fünfzig  Kilometern Schluss – da ist doch was kaputt!“ So ähnlich läuft das jeden Tag bei uns in der Werkstattannahme ab. Okay: Ebikes sind cool, aber gerade bei Ebike – Einsteigern folgt nach der ersten Euphorie über das neuerworbene Schätzchen  nicht selten Ernüchterung angesichts der Reichweite, plötzlich absterbender Motoren oder vorzeitig durchgenudelter Antriebe. „Das kann doch nicht sein!…“ tönt es dann häufig.  Aber, lieber Ebike Neuling, es kann! Und in der Regel liegt es nicht am Bike sondern am Fahrer, denn ebiken will gelernt sein. Also aufgepasst!

Als Moutainbiker weiß Jan: Auch ein Ebike will sorgsam behandelt werden. Gerade Neueinsteiger überfordern aber häufig ihren Untersatz, weil sie nie gelernt haben, schonend und effizient zu radeln.

Beginnen wir mit der Mutter aller Probleme: Gerade Ebike-Novizen bereitet nicht selten die geringe Reichweite des Akkus Kopfzerbrechen. Ein grundlegendes Problem dabei ist, dass nur wenige Ebiker vormals Radsportler waren, und dementsprechend nie gelernt haben, energieeffizient zu fahren. Kein Mountainbiker oder Rennradler käme freiwillig auf die Idee, sich mit einer Trittfrequenz von dreißig Umdrehungen pro Minute eine zwölfprozentige Steigung hochzuquälen. Dort wo bei jeder halbwegs erfahrene Radfahrer ein paar Gänge runterschalten würde, damit die Oberschenkel nicht mittelfristig kollabieren, machen es sich viele Ebiker bequem und hauen einfach den Turbo rein. Damit tun sie sich aber keinen Gefallen, denn der Motor verbraucht dann extrem viel Energie. Merke: Auch Elektromotoren tun sich  schwer, wenn sie viel Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen abliefern müssen.

Laurent weiß, wie es geht! Immer fleißig schalten und kurbeln. Dann fühlt sich auch Dein Ebike wohl und belohnt Dich mit großer Reichweite und geringem Verschleiß.

Manche Biker provozieren so in schöner Regelmäßigkeit den Überlastungsschutz des Motors, so das dann kurzfristig erstmal gar nichts mehr geht. Yamaha-Bikes belohnen sowas übrigens mit einem hübschen Fehlercode, der in der Werkstatt ausgelesen und gelöscht werden muss. Die erste Grundregel lautet also: Schalte fleißig um mit einer Trittfrequenz von 70-90 Umdrehungen pro Minute um Energie zu sparen und keine Kraft zu verschwenden. 

Damit schonst Du natürlich nicht nur Deine Energieressourcen sondern auch den Antriebstrang. Klar: Ein größeres Ritzel verschleißt langsamer als ein kleines, da die Kraft besser verteilt wird. Und je mehr Ritzel beansprucht werden, umso länger hält die Kassette. Das ist eigentlich selbsterklärend. Gerade bei Ebikern sieht man aber häufig das Gegenteil, nämlich eine in weiten Teilen neuwertige Kassette, die vorzeitig getauscht werden muss, weil der Biker nur in den oberen Gängen unterwegs ist und die beiden kleinsten Ritzel komplett durchgelutscht hat. 

Vielen Ebikern ist der regelmäßige Reichweitenvergleich ein steter Quell der Freude. Dumm nur, wenn der Kumpel mit seinem kleinen 400er Akku immer weiter kommt als Du. Aber keine Panik: Das ist nur Physik….

Jetzt rührst Du schon fleißig im Getriebe und Dein Kumpel kommt trotzdem immer noch weiter als Du? Kein Problem- beachte einfach Regel Nummer Zwei: Dein Ebike ist kein Auto- also mach Dich locker und hör´auf, zu vergleichen! Vielleicht ist Dein Kumpel einfach etwas kleiner, leichter, geschickter oder flowiger unterwegs als Du und all diese kleinen Unterschiede fallen natürlich beim Ebike viel stärker ins Gewicht als beim Auto. Nehmen wir zum Beipiel das Gewicht: Beim einem 1800 kg schweren Auto beträgt der Gewichtsanteil eines 75kg schweren Fahrers an der gesamten Fuhre gerade mal vier Prozent. Bei einem Ebike macht derselbe Fahrer hingegen 75% des Gesamtgewichtes aus. Zehn Kilogramm mehr oder weniger auf den Rippen schlagen bei dieser Relation natürlich deutlich stärker ins Kontor. Darüber hinaus ist beim Auto die Fahrersilouette vollkommen egal, beim Biken hingegen können schon moderate Unterschiede bei Größe und Kleidung den Luftwiderstand – und damit auch den Stromverbrauch- stark beeinflussen.

Lukas und Jan fahren beide effizient. Doch schon vergleichsweise geringe Gewichts- und Größenunterschiede können die jeweilige Reichweite maßgeblich beinflussen. Deshalb gilt: Locker bleiben, Spaß haben und nebenbei ein bisschen Sport machen! Denn der hauptentscheidende Faktor für die Reichweite ist die Kondition des Piloten!

Kommen wir zu Regel Nummer Drei: Streng´Dich an und mach Sport! Im Ernst: Ebikes sind eine tolle Sache, aber es sind immer noch Sportgeräte und keine Mofas. Natürlich kannst Du Dir auch ans Ebike einen Handwagen basteln, um Deine Oettinger-Kiste stilecht zum Schrebergarten zu chauffieren, das war´s dann aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Mofa fahren ist wie Chips im Jogginganzug auf dem Sofa in Dich reinzustopfen, Fahrradfahren ist richtig betrieben ein hervorragendes und vor allem cooles Herzkreislauf- und Ganzkörpertraining. Also hock`nicht faul auf Deinem Ebike, wie die Jungs, die den Motor die ganze Arbeit machen lassen und hinterher darüber jammern, das der Akku wieder so schnell aufgegeben hat. Betrachte lieber jede Fahrt als Trainingsintervall, denn kein Drehmoment- und Reichweitengepose ersetzt den Endorphinschub und das Gefühl das sich einstellt, wenn Du schrittweise immer fitter wirst und schließlich die Steigung, die Du vor einigen Wochen noch mit Hängen und Würgen hochgekeucht bist, locker aus eigener Kraft im Wiegetritt hochfliegst. DAS ist Radfahren!!!

Von Erik Neugebauer