Scheibenbremsen- Vorsicht ist die Mutter des Reibungskoeffizienten

Scheibenbremsen am Bike sind ’ne tolle Sache! Sie machen genau das was sie sollen. Und zwar furios! Für das, was heute an besseren Einsteigerbikes verbaut wird, hätten wir Anfang der Neunziger, als wir noch mit Starrgabelhardtails und Fingerbrech-Cantis über die Trails rumpelten, „unser Oma ihr klein Häuschen“ verscherbelt. Aber wie so oft gilt auch hier: Alles hat zwei Seiten. Scheibenbremsen wollen ordentlich gepflegt werden, sonst werden sie schnell ungemütlich. Wir zeigen Dir, wie du die kleinen Diven bei Laune hältst.

Scheibenbremse Bremswirkung
So muss das sein! Selbst die Stopper an Einsteigerbikes langen mittlerweile richtig zu – leider bleibt das nicht immer so…

Wenn man Biker auf das Verhältnis zu Ihrer Scheibenbremse anspräche, würden es viele wohl als eine Art Hassliebe bezeichnen. Zugegeben, dass was sich in den letzten Jahren in diesem Segment getan hat, ist schon unglaublich. Was die Bremswirkung angeht, nehmen sich gute Exemplare wie die Sram Guide oder Shimanos Saint nicht mehr viel mit der Eiche am Trailausgang. Und die Dinger sind mitterweile auch noch richtig leicht- nicht umsonst sind auch immer mehr Cyclocross- und Rennradfahrer damit unterwegs.  Aber so gut Scheibenbremsen mittlerweile sind – sie können locker jede noch so schöne Sonntagsrunde in einen  audiophilen Höllentrip verwandeln. Das weiß Jeder, der schon einmal mit seinen Stoppern wild um die Wette brüllend einen Pulk Wanderer vom Trail gejagt hat. Doch keinen Stress- wenn Du ein paar Regeln beherzigst, herrscht Ruhe im Karton. Denn der Ärger mit jaulenden und quietschenden Scheibenbremsen ist meistens hausgemacht. In der Regel sind falsches Bremsverhalten und die Sorglosigkeit des Bikers im Umgang mit den extrem nachtragenden Bremsbelägen verantwortlich für den Beziehungsfrust. Warum, erklären wir Dir jetzt.

Neben den eher selten verbauten gesinterten Exemplaren, werden an Fahrradbremsanlagen vor allem organische Bremsbeläge verbaut. Beide sind an sich schon ziemlich stressresistent, Zweierlei macht die Teile jedoch zuverlässig platt: Da wären zum einen anhaltende Dauer-bremsungen die zur Überhitzung und dem berüchtigten „Verglasen“ der Beläge führen. Dabei verschmilzt das Materialgefüge an der Kontaktfläche zur Bremsscheibe und kristaliert anschließend aus. Einen solchen Belag erkennst Du an seiner glänzenden, harten Oberfläche und daran, dass er Manieren entwickelt, wie ein pubertierender Teenager: Das Ding tut nie was es soll, meckert aber ständig an Dir rum!!! Also tu Dir einen Gefallen: Nie mit schleifenden Belägen bergab juckeln, sondern das Bike zwischendurch immer mal frei laufen lassen- nach guter alter Stotterbremsenmanier. Das schont die Beläge und letzlich auch die Nerven.

Richtig bremsen, Bremsbeläge
Die Downhiller machen es vor: Punktuell anbremsen, dann wieder laufen lassen. Frei nach Lukas‘ Leitspruch „Geschwindigkeit bringt Sicherheit! Manchmal zumindest…“ Foto: © Fotografie DieDreiBeiden.com

Die zweithäufigste Ursache für Unfrieden auf der Abfahrt sind verschmierte und verölte Stopper. Gerade organische Beläge saugen Öle und Fette in Nullkommanix auf. Deshalb ist alles, was diesen Substanzen auch nur im Entferntesten ähnelt, im Bereich der Bremsanlage ein absolutes NoGo.

Öl auf Bremsbelag - verölte Bremsbelage
Links ein neuer Belag frisch aus der Tüte, rechts ein veröltes Exemplar. Traurig aber wahr- da ist nichts mehr zu retten!

Verölte Beläge verglasen nicht nur zuverlässig, sie verweigern auch schmollend ihren Dienst und kreischen bei jeder Gelegenheit, als sei der Leibhaftige hinter ihnen her. Vorteil: Du kommst immer schneller unten an, als erwartet. Nachteil: Unter Umständen tun sich dabei erstaunliche Parallelen zum letzten Kettensägenmassaker – Streifen auf! Und zwar akustisch als auch physisch.

Rückfettende Reinigungsmittel sind im Übrigen ebenfalls tabu- Pfoten weg!  Man kann dies nicht oft genug wiederholen, das zeigt sich täglich in unserer Werkstatt. Das Gemeine: Ein verglaster aber grundsätzlich sauberer Belag kann unter Zuhilfenahme feinen Schleifpapiers bisweilen wiederbelebt werden. Sind aber Fette oder Öle erst mal so richtig eingezogen, hilft nur Eines: Die ollen Backen rausnehmen, Rotor und Sattel penibel mit Bremsenreiniger säubern und anschließend neue Beläge verbasteln. Aber aufgepasst:  Warst Du nicht gründlich genug, heult das Ding gleich wieder los. Und dann steigt unter Umständen die Lust auf ein eigenes, kleines Motorsägengemetzel im Ausfallendbereich! Kann man ja nachschärfen so‘ n Teil…

Also erspare Dir den ganzen Ärger! Sei einfach ein bisschen achtsam bei der Bikepflege und mach es wie Lukas:

Kette schmieren - Kette richtig ölen
„Dumm ist der, der Dummes tut!“ hat Forrest Gump einmal gesagt. Eine Bremse zu schmieren, gehört nicht gerade zu den tollsten Ideen – deshalb bitte immer einen Sicherheitsabstand zur Bremsanlage einhalten!

Bitte, bitte: Halte niemals mit der Sprühflasche voll auf die Kassette. Das Öl spritzt garantiert in alle Richtungen, auch auf den Rotor und Bremssattel.  Und dann fliegt die Kuh!  Wenn Du die Kette schmierst, dann am  Kettenblatt.

Nach dem Einölen empfiehlt es sich, überflüssiges Öl zu entfernen. Dazu nimmst du einfach einen Baumwolllappen in die Hand und ziehst die Kette hindurch bis nichts mehr tropft. Aber sei bitte auch dabei vorsichtig:

Scheibenbremse reinigen- Rotor reinigen
Hier darfst Du ruhig pingelig sein! Die Kette darf nicht triefen und auch der Rotor sollte ab und zu mal gereinigt werden. Denn wo nichts ist, kann auch nichts quietschen…

Den Rotor reinigt man am besten regelmäßig mit Scheibenbremsreiniger oder Isopropylalkohol. Spüli eignet sich aufgrund rückfettender Inhaltssoffe keinesfalls. Dementsprechend solltest Du auch beim Putzen achtgeben. Nicht mit dem bereits benutzen Lappen die Scheibe reinigen, das gibt garantiert Stress mit dem Schätzchen!

So, das war doch ziemlich einfach, oder? Beherzigst Du unsere kleinen Tipps, steht einer langen glücklichen Beziehung zwischen Dir und Deinen Wurfankern nicht mehr viel im Wege. Denn so zickig Scheibenbremsen auch sein mögen, sie funktionieren nach einem einfachen Prinzip: Tust Du mir nix, tu ich Dir nix!

Fassen wir zusammen:

Die Scheibenbremse kann mit Recht als Drama-Queen unter den Komponenten bezeichnet werden. Sie ist schnell beleidigt, hat einen Hang zur Hysterie und kann schimpfen wie ein Rohrspatz! Aber: Es ist eigentlich ganz einfach mit Ihr auszukommen, solange Du ihr immer gut zuredest und ab und zu mal die Samthandschuhe rausholst. Dann hält sie auch die Klappe und macht Ihren Job…

Text: Erik Neugebauer